Immer wieder in den vergangenen Jahren berichtete ich von einigen chinesischen Jugendlichen, die an einem der Magdeburger Gymnasien ihr Abitur machen möchten. In der 10. Klasse müssen alle ein Sozialpraktikum absolvieren.
Wo leben die jungen Schülerinnen und Schüler?
Weshalb kommen sie nach Deutschland? Wie kommen sie klar mit Heimweh?
Wie gelingt ihnen das Erlernen der deutschen Sprache?
Wie meistern sie einen komplett anderen Tagesablauf als in ihrem Heimatland, wie bewältigen sie die immensen Lernanforderungen und wie halten sie es aus, lange Zeiten von ihren Familienangehörigen getrennt zu sein?
Diese Fragen haben uns bewegt, als wir uns am 19. Juni als kleine Stiftungsgruppe auf den Weg in das Internat machten, welches sich in unserem Stadtfeld, also sozusagen in unserer Nachbarschaft befindet.
Lisa und Oliver Franke empfingen uns gern, da die Zeit-Stifter:innen und Zeit-Stifter „ihren Kindern“ für eine kurze Zeit – jeweils drei Wochen während des Praktikums - intensive Begegnungen und Erfahrungen schenken.
Eine chinesische Teezeit mit einigen aufschlussreichen Informationen zum Lebensumfeld der jungen Leute hatten wir erbeten. Was wir erlebten an diesem Nachmittag, war weitaus mehr.
Das Ehepaar Franke führte uns durch den typisch chinesischen Innenhof, durch Büroräume, den Essensaal und eine Teestube, die uns die Magdeburger Welt draußen vergessen ließen. Uns war schnell klar, dass sich die Mädchen und Jungen hier in guter Obhut befinden. Und sicher mindert die Umgebung, die so liebevoll und originalgetreu gestaltet ist das Heimweh, von dem uns die Kinder persönlich auch schon berichtet haben.
Einen Koffer voller Informationen über ein Land am anderen Ende der Welt nahmen wir schließlich mit nach Hause. Wieder war es auch ein Stauen darüber, wieviel kleiner die Welt für uns wird, wenn wir einen uns bisher fremden Teil und Menschen von dort kennenlernen.
Auf diesem Weg danken wir sehr herzlich für die wohltuenden Gastfreundlichkeit und für die Zeit, die uns geschenkt wurde von den Gasteltern Franke sowie von drei jungen Menschen, die in dem Haus leben. M. Diehl
Hier können Sie einen kleinen Einblick in die Arbeit unserer ZeitOase® Magdeburg gewinnen.
China nebenan
Es war einmal ...
„Ich bin … von Beruf Erzählerin und Bildende Künstlerin. Für das Puppentheater Magdeburg arbeite ich seit 2006, inzwischen sehr gern als Gast.
Ich könnte mir vorstellen, dass die Menschen, die zu Ihnen kommen, auch Freude an Märchen, Mythen und Geschichten haben.“
Mit diesen Worten stellte sich Marianne Fritz Mitte März bei mir vor. Ob das wohl ankommt, eine Märchenstunde für ältere Menschen?
Sehr gespannt erwarteten wir Frau Fritz am Montag, den 22. Mai in der ZeitOase.
Nach der üblichen Kaffeerunde folgten wir ihr dann in eine andere Welt, vergaßen Raum und Zeit und alles das, was uns gerade umgab.
In mehreren kleinen Schachteln befanden sich Lose, auf welchen jeweils der Name eines Märchens geschrieben stand. Für diesen Nachmittag hatte sie eine Auswahl von uns bekannten und auch nicht bekannten Grimm‘schen Märchen mitgebracht. Einige dieser Lose wählten wir aus. Und dann durften wir lauschen …
Es gehört zu ihrer Kunst, ein Märchen nicht mit „Es war einmal …“ zu beginnen. Mit ihrer besonderen Darstellungsart gelang es ihr, uns selbst am Geschehen teilhaben zu lassen, also ein wenig auch zu Märchenfiguren zu werden. Uns lief förmlich das Wasser im Mund zusammen, als wir vom süßen Brei erfuhren, der auf Herd in der Küche fort und fort gekocht wurde und sich im ganzen Städtchen verteilte. Den Froschkönig hörten wir quaken, als er um die Gunst der Prinzessin warb. Wir machten Bekanntschaft mit der klugen Gretel und mit Schornsteinfegers Jungen, von denen wir vorher noch nichts wussten.
In den kleinen Märchenrollen waren sozusagen wahre Perlen für uns versteckt in Form von gut gewählten Worten und den stets dazu passenden Gesten.
Habe ich diejenigen neugierig gemacht, die an diesem Nachmittag nicht dabei waren?
Dann lade ich heute schon zur nächsten Märchenstunde ein. Frau Fritz hat uns versprochen, dass sie gern wieder kommt. Wir danken ihr herzlich und wir freuen uns darauf! M. Diehl
Der Himmel geht über allen auf
Diesen Kanon sangen die Gottesdienstteilnehmenden am Himmelfahrtsvormittag in der Kreuzkapelle.
In diesem Jahr fuhren wir nicht hinaus ins Weite. Angelehnt an Goethes Worte blieben wir am 18. Mai hier in unserer gewohnten Umgebung, denn „das Gute liegt so nah“.
Die frohe Botschaft aus dem Gottesdienst war spürbar für uns im weiteren Beisammensein an diesem sonnigen Frühlingstag.
Wir ließen uns mit Waldmeistermaibowle verwöhnen, die Reinhard Adamski extra für uns bereitet hat. Bernhard Beier sorgte als Grillmeister für reichlich Würstchen, Käse und Gemüsespieße. Danke sagen wir an dieser Stelle auch allen Bäckerinnen und Salatbereiterinnen, die uns mit ihren Gaben sehr verwöhnten.
Zum ersten Mal in diesem Jahr konnten wir die Tür zum Garten weit öffnen. Und als zur Kaffeezeit dann Wolfgang Zacharias mit seiner Drehorgel überraschend zu Besuch kam, da ging der Himmel nicht nur über, sondern auch in uns auf.
Das Gute lag wirklich nah. Vielen Dank für alle Hilfe an diesem Tag und für das Mitfeiern.
Es war ein wunderbares Fest. M.Diehl
Frühlingsgeflüster
„Nun will der Lenz uns grüßen“ – endlich ist er nicht nur draußen sichtbar, sondern auch spürbar für uns. Alles grünt und sprießt, die Vögel zwitschern. Da erwacht in uns allen doch alljährlich ein Entzücken und manchmal halten wir inne und werden ganz still, um die lauen Lüfte und süßen Düfte von Herzen genießen zu können.
Von anderen Tönen mitten im Frühling darf ich aus der ZeitOase berichten.
Am 19. April kochten wir uns gemeinsam eine Frühlingssuppe, die wir dann auch gemeinschaftlich auslöffelten. Und ganz still ist es bei uns weder beim Bereiten der Speisen noch beim Essen!
Was wäre ein Frühling ohne die Lieder, welche von Hoffnung und Wärme, von Musik und Tanz erzählen?
Frau Rosemarie Reek brauchten wir am 3. Mai nicht zu betteln – im Gegenteil, sie setzte sich wie so oft nach einem gemütlichen Kaffeetrinken gerne ans Klavier und erfreute uns mit den Melodien, die wir mitsingen oder mitsummen konnten oder uns einfach in Schunkellaune versetzten.
Wenn wir aus dem Bischof-Weskamm-Haus einige Bewohner:innen zum Stiftungsnachmittag abholen, dann machen einige von uns gleichzeitig dabei auch immer eine kleine Spazierfahrt, entweder im Rollstuhl oder im Auto.
Zu einem Frühlingsspaziergang der besonderen Art hatten die Mitarbeiterinnen der Freiwilligenagentur Katja Rink und Janina Schurich-Wishet am 10. Mai einige Menschen eingeladen, die Interesse an ehrenamtlicher Arbeit haben. Einige ausgewählte Einrichtungen mit sozialem Engagement besuchten sie auf ihrer Tour. Dabei lernten sie nicht nur einen Stadtteil von Magdeburg besser kennen, sondern sie bekamen auch einen Eindruck von der Arbeit, die Menschen für Menschen in diesem westlichen Stadtgebiet tun. In der ZeitOase durften wir sie zum Abschluss ihrer Entdeckungsreise begrüßen. Frühlingsgeflüster?
Nein, es wurde wahrlich nicht leise gesprochen an diesem Nachmittag. Es entwickelten sich zwar sofort kleine „Murmelgruppen“. Aber letztlich war es ein lautes und fröhliches Erzählen mit viel (Zeit)Raum auch zum Übersetzen, denn wir befanden uns wieder einmal in einer ganz internationalen Gemeinschaft mit Frauen und Männern aus Syrien, aus Mexiko und aus der Ukraine. Wir erlebten, wie klein die große Welt ist und wie wohl uns das Miteinander tut.
Sprachbarrieren hinderten uns keineswegs am gegenseitigen Kennenlernen. Der gedeckte Tisch war der Mittelpunkt unseres Treffens. Gemeinsam feierten wir spontan ein Frühlingsfest – natürlich wieder mit den passenden Liedern unter der Begleitung von Frau Reek.
Frühlingsgeflüster? Ja, ich hörte leises Sehnen und Hoffen für gutes Wachsen und Gedeihen der Früchte, die wir zum Leben brauchen. Und unser stiller Wunsch darf gern ein lauter Ruf werden, wenn wir einander verstehen und in Frieden leben wollen. M. Diehl
Wenn es Ostern wird
Wenn ein Hasenchor singt,
wenn Bommelküken piespen,
wenn ein Filzhuhn gackert,
wenn ein Wollschäfchen Schokoeier hütet,
wenn Menschen mit Gedanken, Worten, Händen und Füßen etwas für uns tun,
dann treffen sie mitten in unser Herz.
Wie gern war ich Beobachterin solcher Momente.
Und wirklich – die Freude, die ich in den Gesichtern sah, war ansteckend. M.Diehl
Friedenslicht
Vor einem Jahr gestalteten wir in der ZeitOase eine Kerze, mit deren Entzünden wir immer wieder unseren Wunsch nach Frieden in unserem kleinsten Umkreis, aber auch draußen in der großen Welt zum Ausdruck bringen wollten.
Denke ich an die Gesprächsrunden in den ersten Wochen dieses Jahres hier in unserer ZeitOase, dann kann ich berichten, dass uns dieses Thema bei jedem Treffen sehr bewegt hat.
Wenn wir einander zuhören und uns gegenseitig achten, wenn wir immer wieder Brücken zum anderen bauen und sie auch begehen, dann entstehen Friedensoasen.
Am 8. Februar 2023 erlebte ich mit der Stiftungsgruppe ein übliches Kaffeetrinken, aus dem sich spontan eine sehr angeregte Gesprächsrunde entwickelte. Vielmehr wurde es sogar eine gemixte Unterrichtsstunde für alle Teilnehmenden aus Syrien, Afghanistan, Deutschland. Wir erweiterten unsere geografischen Kenntnisse, hatten Religionskunde dabei und die aktuelle Politik kam ebenfalls zur Sprache.
Auch der 11jährige Jadd begleitete seine Oma Mouluda an diesem Tag zum Stiftungsnachmittag. Als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt, machten wir uns gemeinsam auf den Weg, um ältere Menschen aus dem Pflegeheim abzuholen in die ZeitOase. Er spricht inzwischen so gut unsere Sprache, dass er an diesem Nachmittag auch als Brückenbauer in unserer gegenseitigen Verständigung agierte.
Die Kerze ist fast heruntergebrannt. Wir werden in den nächsten Tagen eine neue aufstellen. Und wir wollen, dass sie nicht nur die ZeitOase erhellt, sondern dass dieses Friedenslicht in unseren Herzen brennt. M.Diehl